Für die nicht-dystrophische Myotonie gab es lange keine standardisierte Behandlung. Im Jahr 2010 wurde Mexiletin in Frankreich auf der Grundlage einer Literaturrecherche für die Behandlung einer Myotonie zugelassen, klinische Studien gab es zu diesem Zeitpunkt nur sehr wenige. Vicard et al. untersuchten im Auftrag der französischen Gesundheitsbehörde die Wirksamkeit und Sicherheit von Mexiletin zur Therapie der nicht-dystrophischen Myotonie.

Eine Therapie mittels Mexiletin verbesserte in vorliegender Studie die Muskelsteifheit und die Lebensqualität von Patienten mit nicht-dystrophischer Myotonie signifikant. Die Patienten vertrugen das Medikament während der 18-tägigen Behandlungsdauer gut. Mit der MYOMEX-Studie führten die Wissenschaftler aus Frankreich eine multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Crossover-Studie durch, in die sie Patienten mit einem Alter zwischen 18-65 Jahren einschlossen, die an einer genetisch nachgewiesenen Myotonia congenita (MC) oder Paramyotonia congenita (PC) litten. Patienten mit Erkrankungen, die die Muskelfunktion beeinträchtigen (z.B. Infektion, Trauma, Fraktur), einer Kontraindikation für Mexiletin, außerdem Patienten, die Medikamente einnahmen, die die Muskelfunktion beeinträchtigen konnten (Diuretika, Antiepileptika wie Natriumkanalblocker, Antiarrhythmika, Kortikosteroide und Betablocker), mit Allergie gegen Mexiletin und Frauen im gebärfähigen Alter ohne Verhütung schlossen die Forscher von einer Studienteilnahme aus. Die Forscher randomisierten die Patienten 1:1 in 2 Gruppen; eine Gruppe erhielt eine Behandlung mit Mexiletin, die zweite Gruppe erhielt ein Placebo. Die Ärzte gaben zu Beginn eine Mexiletin-Dosis von 200 mg/Tag und erhöhten diese alle 3 Tage um weitere 200 mg, bis innerhalb einer Woche eine maximale Dosis von 600 mg/Tag erreicht war. Die Wissenschaftler erhoben zu Studienbeginn demographische Daten und führten eine medizinische Anamnese mit Blut- und Herzuntersuchungen durch. Zu verschiedenen Zeitpunkten während des 18-tägigen Studienzeitraumes gaben die Patienten auf einer 100-mm-visuellen Analogskala (VAS) den Schweregrad der Muskelsteifheit an („keinerlei Steifheit“: 0 mm, „schlimmstmögliche Steifheit“: 100 mm). Zusätzlich zur Muskelsteifheit, dem primären Endpunkt, erhoben die Forscher Daten zu zahlreichen sekundären Endpunkten und zum Auftreten unerwünschter Ereignisse.

Die Wissenschaftler schlossen 25 Patienten, 13 mit MC und 12 mit PC, in die Studie ein. Der mediane VAS-Wert für die Muskelsteifigkeit bei Patienten, die Mexiletin erhielten, betrug zu Beginn der Studie 71 und sank bis zum Ende der Behandlungsdauer auf 16, während sich der mediane VAS-Wert für Placebo nicht signifikant veränderte (81 zu Beginn der Studie gegenüber 78 am Ende der Behandlung). Dies entsprach einer medianen Veränderung des VAS-Wertes für Steifigkeit von -78 % im Vergleich zum Ausgangswert bei den mit Mexiletin behandelten Patienten. Auch in den Resultaten der sekundären Endpunkte zeigte die Therapie mit Mexiletin ihre Wirksamkeit. Patienten unter Mexiletin-Therapie konnten sich im Vergleich zu Patienten der Placebo-Gruppe schneller aus dem Sitzen von einem Stuhl erheben. Zudem zeigte das Resultat eines Fragebogens zur Erfassung der neuromuskulären Lebensqualität (INQoL), dass sich unter der Mexiletin-Therapie Muskelschwäche und – schmerzen reduzierten, was in der Placebo-Gruppe nicht der Fall war. Auch der klinische Gesamteindruck der Ärzte sprach für eine gute Wirksamkeit von Mexiletin. 80 % der Patienten unter Mexiletin-Therapie befürworteten die Therapie; 92 % der Patienten waren bereit, Mexiletin nach der Studie weiter einzunehmen. Nebenwirkungen waren in der Mexiletin-Gruppe häufiger als in der Placebogruppe. Diese traten vor allem in Form von gastrointestinalen Problemen (Übelkeit, Oberbauchschmerzen) und Schlaflosigkeit auf. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten keine auf.

Fazit:

Eine Mexiletin-Therapie zeigte eine signifikante Verbesserung bei Patienten mit nicht-dystrophischer Myotonie. Sowohl die Muskelsteifheit als auch Muskelschwäche, Muskelschmerzen und die neuromuskuläre Lebensqualität verbesserten sich unter Mexiletin-Einnahme. Unerwünschte Ereignisse traten unter Mexiletin häufiger auf als unter Placebo, zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen kam es jedoch nicht, so die Experten.

Autorin:

Dr. Maddalena Angela Di Lellis, Tübingen