Genetisch definierte Skelettmuskelkanalopathien sind selten
Es gibt in der postgenomischen Ära nur wenige Daten zur Prävalenz von Skelettmuskelkanalopathien (SMC). Eine im Vereinigten Königreich durchgeführte Studie ergab eine minimale Punktprävalenz von 1,12 Fällen je 100.000 Einwohner für genetisch definierte SMC, Forscher nehmen jedoch an, dass die Prävalenz zwischen den Ländern erheblich variiert. Stunnenberg et al. ermittelten die minimale Punktprävalenz genetisch definierter SMC in den Niederlanden.
Die Resultate bestätigen, dass SMC in den Niederlanden eine Krankheit mit seltener Prävalenz ist. Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe um Stunnenberg aus den Niederlanden nahmen retrospektiv alle Patienten in die Studie auf, die zwischen 1990 und 2015 in den Niederlanden eine molekulare Diagnose von SMC erhielten. Zu diesem Zweck kontaktierten die Forscher die DNA-Diagnoselabore der akademischen medizinischen Zentren in Leiden, Nimwegen, Amsterdam und Maastricht, die die SCN4A-, CLCN1-, CACNA1S- und KCNJ2-Mutationsanalysen durchführten. Von sämtlichen Patienten mit genetischer SMC-Diagnose trugen die Wissenschaftler Daten zum Geburtsdatum, zum Geschlecht, zum betroffenen Gen, zu Mutationsmerkmalen, zur Anzahl der betroffenen Familienmitglieder ersten Grades und zum überweisenden Krankenhaus zusammen. Die DNA-Diagnoselabore sequenzierten die gesamten kodierenden Regionen von SCN4A, CLCN1 und KCNJ2. Für CACNA1S sequenzierten die Forscher die Exons 11, 20-21, 26 und 30. Die Experten berechneten die minimalen Punktprävalenzraten und berichteten über das Mutationsspektrum sowohl für die rezessive als auch für die dominante Myotonia congenita als eine Gruppe (Chloridkanalopathien, ClCh) und für Paramyotonia congenita/SCM als eine Gruppe (Natriumkanalopathien, NaCh).
Die Wissenschaftler identifizierten 405 Patienten aus 234 nicht miteinander verwandten Familien, was eine minimale Punktprävalenz von 2,38 Fällen je 100.000 Personen für die gesamte Gruppe der genetisch definierten SMC in den Niederlanden darstellt. Bei 71 % der SMC-Patienten diagnostizierten die Wissenschaftler nicht-dystrophische Myotonien, bei 29 % der Patienten primäre periodische Paralysen. Innerhalb der Gruppe von Patienten mit nicht-dystrophischen Myotonien diagnostizierten die Experten bei 31 % eine Myotonia congenita und bei 40 % Paramyotonia congenita/SCM. Bei Myotonia congenita-Patienten fanden die Forscher 61 verschiedene CLCN1-Mutationen. Bei Patienten mit einer Natriumkanal-Myotonie, hypokaliämischer periodischer Paralyse oder hyperkaliämischer periodischer Paralyse identifizierten die Wissenschaftler 28 verschiedene SCN4A-Missense-Mutationen. Insgesamt 4 verschiedene CACNA1S-Missense-Mutationen fanden die Forscher bei Patienten mit hypokaliämischer periodischer Paralyse und 5 KCNJ2-Missense-Mutationen bei Patienten mit Andersen-Tawil-Syndrom. Insgesamt ist die Prävalenz von SMC doppelt so hoch wie im Vereinigten Königreich.
Fazit:
Die Forscher bestätigen mit vorliegenden Resultaten SMC als seltene Erkrankung in den Niederlanden. Das hier berichtete Mutationsspektrum kann den klinischen Diagnoseprozess optimieren. Zukünftige diagnostische und therapeutische Studien könnten von der Kenntnis des Mutationsspektrums von Kanalopathien der Skelettmuskulatur profitieren, so die Experten.
Autorin:
Dr. Maddalena Angela Di Lellis, Tübingen