Nicht dystrophe Myotonien
Neurologie
Steckbrief
Bei den nicht dystrophen Myotonien handelt sich um seltene hereditäre Erkrankungen des muskulären Chlorid- oder Natriumkanals. Diese rein myotonen Muskelerkrankungen werden auch als Myotonia bzw. Paramyotonia congenita bezeichnet und von den myotonen Dystrophien abgegrenzt. Die erstgenannten, reinen Ionenkanalerkrankungen sind im Gegensatz zu den multisystemischen myotonen Dystrophien durch die klinisch führende Störung der Relaxation des Muskels (Myotonie) gekennzeichnet. Die aktuellen Akronyme lauten NDM für die nicht dystrophen Myotonien sowie DM1 und DM2 für die myotone Dystrophie Typ 1 und myotone Dystrophie Typ 2.
Aktuelles
Es ist eine Reihe neuer Mutationen entdeckt worden. Dabei hat sich bestätigt, dass Mutationen im Nav1.4 je nach Art und Lokalisation einen hypo-, hyper-, oder normokaliämischen Phänotyp der periodischen Lähmung oder einen myotonen oder paramyotonen Phänotyp bzw. Überlappungen hiervon hervorrufen können. Der Nachweis einer Mutation lässt somit nicht auf einen spezifischen Phänotyp schließen [7].
Synonyme
- Myotonia congenita Becker
- Myotonia congenita Thomsen
- Myotonie Typ Thomsen
- Myotonie Typ Becker
- Paramyotonie
- Paramyotonia congenita
- Paramyotonia congenita Eulenburg
- Myotonia fluctuans
- Myotonia permanens
- kaliumsensitive Myotonie
Keywords
- Chloridkanalerkrankung
- Natriumkanalerkrankung
- Ionenkanalerkrankungen
- Myotonie
- Myotonia congenita
- Paramyotonie
- Myotonia fluctuans
- Myotonia permanens
- kaliumsensitive Myotonie
Definition
-
Als Myotonie wird eine Relaxationsstörung des Muskels infolge muskulärer Ionenkanaldefekte bezeichnet.
Epidemiologie
-
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen liegen keine zuverlässigen epidemiologischen Daten zu den einzelnen Formen der myotonen Muskelerkrankungen vor.
Häufigkeit
- Für die Chloridkanalmyotonien wurde die Prävalenz für die autosomal-dominante Form (Thomsen) bisher mit ca.1:25000 [1], [2] und für die autosomal-rezessive Form mit ca. 1:250000 angegeben, für die Natriumkanalmyotonien gleichfalls mit ca. 1:250000. Die Prävalenz muskulärer Ionenkanalerkrankungen ist in der Vergangenheit wahrscheinlich unterschätzt worden. Eine aktuelle britische Studie [8] berichtet die folgenden Zahlen:
- Myotonia congenita (Mutation im CLCN1) 1.13/100000 (95% CI 1.123–1.137)
- Mutationen im SCN4A, die Paramyotonia congenita und Natriumkanalmyotonien verursachen 0.35/100000 (95% CI 0.346–0.354)
- Periodische Paralysen (Hyper- und hypokaliämische periodische Paralyse) 0.41/100000 (95% CI 0.406–0.414)
- Andersen-Tawil-Syndrom: 0.1/100000 (95% CI 0.098–0.102)
- Alles in allem beträgt die Punktprävalenz für sämtliche muskulären Ionenkanalerkrankungen 1.99/100000 (95% CI 1.981–1.999).
- Im Vergleich zu älteren Untersuchungen konnten v. a. mehr Fälle von Myotonia congenita entdeckt werden. Eine niederländische Studie von Stunnenberg et al. hatte 2018 ähnliche Zahlen erheben können [9]:
- Prävalenz für Myotonia congenita: 0.75/100000 (95% CI 0.63–0.90)
- Periodische Paralysen: 0.69/100000 (95% CI 0.57–0.83)
- Andersen-Tawil-Syndrom: 0.10/100000 (95% CI 0.06–0.16)
- Hier ergab sich eine Punktprävalenz für sämtliche muskulären Ionenkanalerkrankungen von 2.38/100000 (95% CI 2.16–2.63) [8], [9].
Altersgipfel
-
Die nicht dystrophen Myotonien manifestieren sich in der Regel schon im Kindes- oder Jugendalter und zeigen ab da eine im Laufe des Lebens gelegentlich leicht zunehmende Symptomausprägung.
Geschlechtsverteilung
- Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
Prädisponierende Faktoren
-
Grundlage ist der jeweilige genetische Defekt.
-
Die Ausprägung kann durch den individuellen genetischen Hintergrund oder Komorbiditäten wie Schilddrüsenerkrankungen oder andere hormonelle Einflüsse, insbesondere auch eine Schwangerschaft, sowie im Falle der kaliumsensitiven Myotonie durch den Serumkaliumspiegel modifiziert und akzentuiert werden.
Ätiologie und Pathogenese
Chloridkanalmyotonien
- Infolge verschiedener Mutationen des Chloridkanalgens sind die Aktivität der muskulären Chloridkanäle am Ruhemembranpotenzial und der inhibierende Chloridstrom durch die Muskelfasermembran vermindert. Dies erhöht die Erregbarkeit der Membran, was zu elektromyografisch nachweisbaren unwillkürlichen repetitiven Muskelaktionspotenzialen, den sogenannten myotonen Entladungsserien oder auch anderen Formen der Spontanaktivität (positive scharfe Wellen) führt.
- Klinisch bedingt diese ständige muskuläre Aktivität eine myotone Muskelsteifigkeit.
- Bei der Myotonia congenita Thomsen sind autosomal-dominant vererbte Punktmutationen in verschiedenen Exonen des Chloridkanal-1-Gens (CLCN1-Gen) auf Chromosom 7q34 die Ursache der Myotonie.
- Der Myotonia congenita Becker liegen autosomal-rezessiv vererbte Nonsense-Mutationen zugrunde, die zu einem gestörten Spleißen oder zu einem vorzeitigen Abbruch des Ablesevorgangs führen, oder es liegen auch Missense-Mutationen im CLCN1-Gen vor.
Natriumkanalmyotonien
-
Bei den Natriumkanalmyotonien sind autosomal-dominante Punktmutationen im muskulären Natriumkanal Nav1.4(SCN4A)-Gen auf Chromosom 17q23 identifiziert worden.
-
Es kommt es zu einer gestörten Inaktivierung der Natriumkanäle, wobei 2 Varianten unterschieden werden können: Eine Form mit unvollständiger Inaktivierung und inkomplettem Schluss eines bestimmten Prozentsatzes der Na-Kanäle am Ende der Depolarisationsphase (kaliumsensitive Myotonie, hyperkaliämische periodische Paralyse) und eine Form mit u.a. kälteabhängig verstärkter Verlangsamung der Inaktivierung (Paramyotonia congenita).
Kaliumsensitive Myotonien
- Die Myotonia fluctuans und andere kaliumsensitive Myotonien zeigen, wenn überhaupt, eine allenfalls geringe Kälteempfindlichkeit. Die Myotonie tritt nach oder während anhaltender Muskelarbeit in Wärme auf. Eine Muskelschwäche tritt nicht auf.
- Bei der Myotonia permanens handelt es sich um die am stärksten ausgeprägte Form einer Myotonie überhaupt, die selten schon bei Neugeborenen und Säuglingen auftritt.
- Die Patienten können durch eine schwere myotone Verkrampfung thorakaler Muskeln ateminsuffizient werden.
- Es besteht eine permanente, in der Ausprägung etwas fluktuierende Muskelsteife, die bei Schreck und plötzlichen Bewegungen mit Atemproblemen infolge Verkrampfungen des Zwerchfells einhergehen kann.
Symptomatik
Chloridkanalmyotonien
- Bei der Myotonia congenita Thomsen sind Frauen meist milder betroffen als Männer. Die männlichen Patienten zeigen meist einen recht athletischen Habitus und eine ausgeprägtere Myotonie. Die klinische Symptomatik manifestiert sich teilweise von Geburt an.
- Bei der Myotonia congenita Becker sind die myotonen Symptome oft noch ausgeprägter als bei der autosomal-dominanten Form.
- Zusätzlich kommt es bei repetitiven Bewegungen infolge einer vorübergehenden Unerregbarkeit der Muskelfasermembran zu einer charakteristischen und diagnostisch wegweisenden transienten Parese [1], [2], [3], [4], [5], die sich bei Fortsetzung der muskulären Aktivität wieder abschwächt und dann gänzlich verschwindet (Warm-up-Phänomen).
- Elektrophysiologisches Korrelat dieser transienten Parese ist unter anderem auch der Nachweis eines Amplituden- und Flächendekrements bei repetitiver Nervenstimulation (nur bei der autosomal rezessiven Chloridkanalmyotonie Typ Becker).
Natriumkanalmyotonien
- Die Natriumkanalerkrankungen zeigen ein breites klinisches Spektrum. Es ist eine Reihe neuer Mutationen entdeckt worden. Dabei hat sich bestätigt, dass Mutationen im Nav1.4 je nach Art und Lokalisation einen hypo-, hyper-, oder normokaliämischen Phänotyp der periodischen Lähmung oder einen myotonen oder paramyotonen Phänotyp bzw. Überlappungen hiervon hervorrufen können. Der Nachweis einer Mutation lässt somit nicht auf einen spezifischen Phänotyp schließen. Bei der Paramyotonie kommt es typischerweise zu einer kälte- und belastungsabhängig auftretenden Muskelschwäche und Myotonie bzw. Verstärkung der Myotonie.
Kaliumsensitive Natriumkanalmyotonien
- Die Myotonia fluctuans und andere kaliumsensitive Myotonien zeigen, wenn überhaupt, eine allenfalls geringe Kälteempfindlichkeit. Die Myotonie tritt nach oder während anhaltender Muskelarbeit in Wärme auf. Eine Schwäche tritt nicht auf.
- Bei der Myotonia permanens handelt es sich um die am stärksten ausgeprägte Form der Myotonie überhaupt, die selten schon bei Neugeborenen und Säuglingen auftritt. Die Patienten können durch eine schwere myotone Verkrampfung thorakaler Muskeln ateminsuffizient werden.
- Es besteht eine permanente, in der Ausprägung etwas fluktuierende Muskelsteife, die bei Schreck und plötzlichen Bewegungen mit Atemproblemen infolge Verkrampfungen des Zwerchfells einhergehen kann.
- Die hyperkaliämische periodische Paralyse kann mit und ohne eine (behandlungsbedürftige) Myotonie einhergehen
Diagnostik
Diagnostisches Vorgehen
Diagnostik der Chloridkanalmyotonien
- obligat:
- klinische Untersuchung (Warm-up-Phänomen)
- Bestimmung der CK und der Transaminasen. Die CK ist in der Regel um nicht mehr als das Zweifache der oberen Norm erhöht
- EMG-Untersuchung zum Nachweis myotoner Entladungsserien
- molekulargenetische Diagnostik bei Differenzialdiagnose Natriumkanalmyotonie und anschließende genetische Beratung
- fakultativ
- in unklaren Fällen molekulargenetischer Ausschluss von DM 1 und DM 2 und evtl. Muskelbiopsie
Diagnostik der Natriumkanalmyotonien
- obligat zur Diagnostik der Paramyotonie:
- klinische Untersuchung (paradoxe Myotonie, d.h. zunehmende Myotonie bei repetitiven Bewegungen; Myotonieverstärkung und/oder begleitende Muskelschwächen bis hin zu Lähmungsattacken bei Kälteexposition)
- EMG-Untersuchung mit Kühlung der Extremität
- Bestimmung der CK und der Transaminasen; die CK ist häufig um mehr als das Zweifache der oberen Norm erhöht.
- molekulargenetische Diagnostik wegen mutationsabhängiger Therapieempfehlung
- fakultativ zur Diagnostik der Paramyotonie:
- genetische Beratung
- Muskelbiopsie in unklaren Fällen
Diagnostik der kaliumsensitiven Natriumkanalmyotonien
- obligat:
- klinische Untersuchung
- EMG-Untersuchung während muskulärer Steifigkeit, z.B. bei Myotonia fluctuans 20min nach Beendigung körperlicher Tätigkeit mit Nachweis myotoner Entladungsserien bei normaler Temperatur
- Bestimmung der CK und der Transaminasen
- molekulargenetische Diagnostik und genetische Beratung
- fakultativ:
- Muskelbiopsie bei unklarem molekulargenetischem Befund
- Durchführung des sogenannten Kaliumbelastungstests bei geringer Ausprägung der Myotonie bei Myotonia fluctuans (Gabe von 1 Tbl. Kalinor Brause) unter intensivmedizinischer Überwachung, keinesfalls bei Myotonia permanens! Die Kaliumbelastungstests werden im Zeitalter der genetischen Diagnostik kaum noch empfohlen.
Anamnese
- Die Anamnese zielt auf die Abfrage myotoner Symptome wie Myotonie beim Greifen, Gehen (insbesondere in der Startphase), Myotonie der Zunge mit undeutlicher Sprache oder Schwierigkeiten beim Essen sowie Einschränkung der Okulomotorik beim Patienten und bei Familienangehörigen (Familienanamnese).
- Frage nach myotonieverstärkenden Faktoren, wie z.B. Kälte und körperliche Anstrengung bei der Paramyotonie, oder Nahrungsaufnahme bei der kaliumsensitiven Myotonie.
- Es sollte zur Differenzialdiagnose von myotonen Dystrophien nach entsprechenden multisystemischen Manifestationen gefragt werden (z.B. Katarakt, kardiale Beschwerden, Diabetes, Hypogonadismus, zerebrale Beteiligung, Tagesmüdigkeit, Schmerzen, vermehrtes Schwitzen [Kap. Myotone Dystrophien]).
Körperliche Untersuchung
- Die körperliche Untersuchung sollte eine Untersuchung aller muskulärer Funktionen einschließlich der von Hirnnerven versorgten Muskeln sowie die Untersuchung auf eine Greifmyotonie umfassen. Dazu gehören u.a.:
- ein sog. Lidlag
- Augenlidmyotonie bei repetitivem Augenschluss mit initialer Schwierigkeit beim Augenöffnen
- Zungenmyotonie
- eine Myotonie beim Gehen und Treppensteigen (Treppentest)
- eine Perkussionsmyotonie bei Beklopfen der Muskulatur (zu unterscheiden vom myostatischen Wulst)
- eine transiente Parese (Myotonia congenita Becker)
- eine paradoxe Myotonie (Paramyotonie)
- Auch sollte eine Erhebung der MRC-Kraftgrade sämtlicher Muskeln erfolgen, eine Prüfung sämtlicher sensibler Qualitäten und auch eine Koordinationsprüfung.
- Bei extremer Myotonie kann eine sekundäre Koordinationsstörung, insbesondere eine Einschränkung der Feinmotorik, z.B. beim Schreiben imponieren, die jedoch Ausdruck der Myotonie ist.
Labor
- CK-Bestimmung und Molekulargenetik
Bildgebende Diagnostik
- ggf. MRT der Muskulatur bei permanenten Paresen.
Sonografie
- ggf. Sonografie der Muskulatur
MRT
- ggf. MRT der Muskulatur
Instrumentelle Diagnostik
EMG
-
Bei allen myotonen Muskelerkrankungen sollte eine EMG zum Nachweis der typischen myotonen Entladungsserien durchgeführt werden.
-
Bei Paramyotonie empfiehlt sich, die Untersuchung nach Abkühlung der Extremität in Eiswasser durchzuführen, um die typische lebhafte Spontanaktivität mit Fibrillationen und PSW-ähnlichen Potenzialen (PSW: „periodical sharp wave“) ableiten zu können.
Histologie, Zytologie und klinische Pathologie
-
molekulargenetische Diagnostik zum Nachweis der Mutation
-
Eine Muskelbiopsie ist aufgrund der molekulargenetischen Möglichkeiten kaum mehr indiziert, ggf. kann sie bei unklarer Schwäche im Rahmen der Myotonie mit der Frage nach strukturellen Veränderungen erfolgen.
Differenzialdiagnosen
Mögliche Differenzialdiagnosen sind in Tab. 126.1 angegeben.
multisystemisch, permanente distale Schwäche, klinische und EMG-Myotonie, Katarakt, CK-und gamma-GT-Erhöhung, Diabetes, kongenitale Form |
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multisystemisch, permanente proximale, im Verlauf auch gelegentlich distale Schwäche, klinische und EMG-Myotonie, Katarakt, CK- und gamma-GT-Erhöhung, Diabetes, Hyperhidrose, Hypercholesterinämie |
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Caveolinopathie DD autoimmun, deutliche CK-Erhöhung, „rippling“ |
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Perlecan-Mutation, faziale Dysmorphien, Kontrakturen, Myokymien, Muskelsteifigkeit |
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CK: Kreatinkinase; gamma-GT: gamma-Glutamyltransferase |
Therapie
Es werden Natriumkanalblocker (Klasse I-Antiarrhythmika und Antiepileptika) verwendet. Die Behandlung besteht in der Modulation der Funktion der intakten Kanäle (Tab. 126.2).
Therapeutisches Vorgehen
Empfohlen wird langsames Aufdosieren der jeweiligen Medikation unter Beachtung der QTc-Zeit im EKG, die unter der Therapie nicht um mehr als 10% zunehmen sollte, da ansonsten ein erhöhtes Risiko für Torsade de points gegeben ist.
Chloridkanalmyotonien
- Es werden Natriumkanalblocker (Klasse I-Antiarrhythmika und Antiepileptika) verwendet. Die Behandlung besteht in der Modulation der Funktion der intakten Kanäle (Tab. 126.2).
- 1. Wahl: Mexiletin 1-3 x 167 mg/d, Flecainid 2-mal 50–100mg/d oder Propafenon 2-mal 150–300mg/d, kardiologische Voruntersuchung und Kontrollen. Cave: kardiale Reizleitungsstörungen!
- 2. Wahl: Carbamazepin ret. (bis zu 600mg/d) oder Phenytoin (bis zu 300mg/d) [6]. Cave: Blutbildveränderungen und Hyponatriämie bei Carbamazepin und kardiale Reizleitungsstörungen bei Phenytoin. Lamotrigin 2-mal 100mg/d
- Weiterbehandlung: keine Behandlung bis auf die symptomatische pharmakologische Behandlung
Natriumkanalmyotonien
- 1. Wahl (Tab. 126.2): Mexiletin 3 x 167 mg/d, je nach Mutation Propafenon (2-mal 150mg/d bis 2-mal 300mg/d) oder Flecainid (2-mal 50mg/d bis 2-mal 100mg/d) (z.B. bei T1313 M [3]; unpublizierte Beobachtung):
- Meist nur prophylaktisch 2 Tage vor einer bestimmten Situation einzunehmen oder auch kontinuierlich. Damit können die kälteabhängig verstärkte Paramyotonie und die kälteinduzierte Lähmung vermieden werden.
- Kardiologische Voruntersuchung und Kontrollen werden empfohlen [6].
- Unter Therapie mit einem der o.g. Antiarrhythmika sollten sich bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder Arrhythmien die QRS-Zeit nicht um mehr als 20% verlängern und die QT-Zeit nicht länger als 500ms sein. Die absolute QTc-Zeit sollte stabil bleiben.
- 2. Wahl: Carbamazepin ret. (bis zu 600mg/d) [6], Lamotrigin 2-mal 100mg/d.
- Prophylaktisch Wärme bzw. Vermeidung kalter Umgebungstemperatur, insbesondere auch keine Sprünge in kaltes Wasser.
Mexiletin, Flecainid, Propafenon, selten Carbamazepin, Lamotrigin oder Phenytoin |
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Mexiletin, Flecainid, Propafenon, selten Carbamazepin, Lamotrigin oder Phenytoin |
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Mexiletin, Flecainid, Propafenon, selten Carbamazepin, Lamotrigin oder Phenytoin |
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Acetazolamid, je nach Ausmaß der Myotonie Mexiletin, Flecainid, Propafenon, selten Carbamazepin, Lamotrigin oder Phenytoin |
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Operative Therapie
- keine Optionen zur operativen Therapie
Verlauf und Prognose
- in der Regel normale Lebenserwartung bei adäquater Therapie, nur bei Myotonia permanens potenziell Einschränkung der Atemfunktion. Bei autosomal rezessiver Chloridkanalmyotonie Typ Becker können sich im Verlauf der Erkrankung permanente Paresen entwickeln, die die Lebenserwartung aber nicht einschränken.
Prävention
-
Im eigentlichen Sinne präventive Maßnahmen sind nicht verfügbar.
-
Eine prophylaktische Therapie mit Acetazolamid ist bei kaliumsensitiven Myotonien bzw. hyperkaliämischer periodischer Paralyse möglich.
Literatur
Quellenangaben
-
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Literatur zur weiteren Vertiefung
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eRef-Link: https://eref.thieme.de/referenz/referenz_0342